Der Launch Day ist ja – dank der Nichtbeteiligung der Zugangsprovider – traffictechnisch eher unspektakulär verlaufen. Faszinierend ist aber das Presseecho, das zwischen der mittlerweile verbreiteten Datenschutzpanik und abenteuerlichen Formulierungen schwankt.

Was die absurden Formulierungen betrifft ist auf SPON Verlass: „Mittwoch wird das Internet umgestellt“ titeln sie. Das ist mal sportlich. Da will auch die TAZ nicht zurückstehen, für sie gibt es „Neue Postleitzahlen für das Internet“. Die Morgenpost verkündet recht abschließend: „Unternehmen in aller Welt haben am Mittwoch den neuen Internetstandard IPv6 eingeführt“. Nun ja, der Prozess dauert nun wirklich schon sehr lange und bewegt sich auf einer Ebene, die der normale Benutzer eigentlich nie zu sehen bekommt, deshalb sind schiefe Bilder und falsche Vorstellungen darüber, was eigentlich am Launch Day passiert ist nicht wirklich verwunderlich.

Was mich aber immer wieder auf die Palme bringt, ist die Datenschutzhysterie. Die Vergabe von dynamischen Adressen ist eine sehr merkwürdige Erfolgsgeschichte: Mir fällt keine einzige Verkrüppelung eines Angebotes ein, die im Nachhinein mit so viel Enthusiasmus als Feature verkauft wird. Ich bin alt genug, um mich an routbare Adressen an jedem Rechner im Uni-Netz zu erinnern; und ich erinnere mich auch noch sehr gut an den Unmut, den die Zwangstrennung und die Neuzuweisung der Internetadressen damals verursacht haben. Ende-zu-Ende war mal ein Grundprinzip des Internets, und das wird mit NAT und dynamischer Adressvergabe zerstört.

Wenn man heute zum Launch Day IPv6 in Google News eingibt, erhält man eine unglaubliche Menge von Datenschutzbedenken. Mit „Industrie erhält gläsernen Nutzer“ gibt das Manager Magazin besonders forsch den Ton vor; und in der FR meldet sich der unvermeidliche Thilo Weichert zu Wort, der  – stellvertretend für viele – wieder die ‚auf ewig festgelegten IP-Nummern‘ beschwört. Es ist mir ein Rätsel, warum dieses Trugbild immer wieder hervorgeholt wird, wo es doch eine Menge von Gegenargumenten gibt:

  • Es gibt Privacy Extensions, der Host Identifier kann also wechseln.
  • Ein Mobilgerät kann vom privaten WLAN über das UMTS Netz ins Firmen-WLAN wandern; bei Dienstreisen können dazu auch durchaus diverse Hotel-WLANs und sonstige Hotspots komme. Wo ist da die ‚auf ewig festgelegte IP-Nummer‘?
  • Selbst wenn der Zugangsprovider ein statisches Prefix verteilt: Wer hat dahinter heute nur ein Gerät? Wessen Gerät hält ewig? Und wie hoch ist der Anteil der Anschlüsse, hinter denen nur eine Person sitzt? Was soll mir ein nackter Prefix bringen, wenn ich keine zusätzlichen Informationen über das Surfverhalten speichere – das kriege ich aber am einfachsten über Cookies.

Und was natürlich immer fehlt ist der Blick auf die Chancen. Ich würde mir statische Adressen wünschen, um Daten auf meinem Equipment zu behalten und trotzdem aus dem Netz erreichen zu können. Was statt über einen Anbieter oder gar ein soziales Netzwerk direkt zwischen einzelnen Teilnehmern verschickt wird, ist datenschutztechnisch auf jeden Fall besser.